Anfang Juni war es endlich so weit: Nach jahrelangen Spekulationen stellte Apple auf der WWDC23 die Apple Vision Pro vor, den ersten räumlichen Computer des Tech-Giganten. Apple-CEO Tim Cook sprach bei der Präsentation von „eine(r) neue(n) Ära des Computers“, während Mike Rockwell, Vizepräsident der Technology Development Group die Apple Vision Pro als „das fortschrittlichste persönliche Elektronikgerät aller Zeiten“ bezeichnete (Quelle: Apple).
Vielversprechende Worte, doch was kann die Apple Vision Pro wirklich? Wie sehen ihre technischen Spezifikationen aus und wann geht die Apple Vision Pro in Deutschland an den Start? Werfen wir einen genaueren Blick auf die jüngste Innovation aus dem Hause Apple.
Übersicht und Hardware
Personal Computing, Mobile Computing, Spatial Computing – die Apple Vision Pro ist nach Mac und iPhone die dritte große Innovation des kalifornischen Technologieunternehmens. Optisch umgesetzt als tragbares Mixed-Reality-Headset, stellt die Apple Vision Pro einen eigenständigen räumlichen Computer dar, der digitale Inhalte mit der physischen Welt verbindet, ohne die Nutzer:innen von ihrer Umwelt zu isolieren (die Apple Vision Pro soll nicht als VR- oder AR-Gerät eingestuft werden).
Was heißt das konkret? Die Apple Vision Pro kreiert eine Arbeitsfläche für Apps, die sich nahtlos und ohne Begrenzung durch ein Display in den Raum integriert. Gesteuert wird die dreidimensionale Benutzeroberfläche durch Augenbewegungen, Handgesten und Sprachbefehle.

Apple Vision Pro (Quelle: Apple)
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Hardware. Die Apple Vision Pro besteht im Grunde aus vier Komponenten:
Die Linse
Das zentrale Element der Apple Vision Pro bildet ein durchgehendes Stück aus dreidimensional geformtem, laminiertem Glas, das in einen leicht gebogenen Rahmen aus einer Aluminiumlegierung übergeht. Dieses Glas fungiert als Linse und enthält die gesamte interne Hardware der Apple Vision Pro, inklusive aller Sensoren, Kameras und Chips.
Auf dem Rahmen befindet sich links ein Auslöseknopf zur Foto- und Videoaufnahme in 3D, auf der rechten Seite liegt die Digital Crown. Per Klick darauf wird der Startbildschirm aufgerufen; per Drehung lässt sich der Grad an Immersion einstellen, sprich die Anwender:innen können selbst entscheiden, wie stark sie in die virtuelle Welt eintauchen möchten.
Das Lichtsiegel
Linse und Rahmen werden mit einem Lichtsiegel aus weichem Stoff verbunden, das unerwünschtes Licht von den Augen fernhält. Es lässt sich biegen, um den Sitz anpassen zu können und ist in mehreren Formen sowie Größen erhältlich.
Das Kopfband
Das Kopfband ist aus 3D-gestricktem Stoff in hellgrauer Farbe mit orangefarbenen Details gefertigt. Es besteht aus einem weichen gepolsterten Material, ist atmungsaktiv, dehnbar und ebenfalls in mehreren Größen erhältlich.
Der Akku
Damit die Apple Vision Pro nicht zu schwer ausfällt, ist der Akku nicht ins Headset integriert, sondern, ähnlich einer Powerbank, über ein gewebtes Kabel damit verbunden. Der Akku wird einfach in die Jacken- oder Hosentasche eingesteckt.
Insgesamt ist die Apple Vision Pro modular aufgebaut, sodass für jede Kopf- und Gesichtsform das ideal sitzende Modell zusammengestellt werden kann.
Apple Vision Pro Trailer: Design
Display: Mikro-OLED-Technologie und EyeSight
Die Apple Vision Pro verfügt über zwei ultrahochauflösende Micro-OLED-Displays in Briefmarkengröße mit jeweils 23 Millionen Pixel pro Display. Das entspricht einer höheren Anzahl an Pixeln als der eines 4K-Fernsehers – pro Auge. Hinzukommen spezielle katadioptrische Linsen, die für eine hervorragende Bildschärfe sorgen sollen. Mit diesen technischen Voraussetzungen verwandelt die Apple Vision Pro jeden Ort wortwörtlich in ein Heimkino, dessen Leinwand sind 30 Meter breit anfühlt.
Eine Brille kann unter der Apple Vision Pro nicht getragen werden, allerdings können Anwender:innen mit Sehschwäche optische Einsätze von ZEISS verwenden, die magnetisch innen am Display befestigt werden. Die Linsen sind separat zu erwerben.
Damit Anwender:innen während der Nutzung der Apple Vision Pro besser mit anderen Menschen interagieren können, wurde EyeSight entwickelt: Die innovative Funktion lässt das Gerät transparent wirken, sobald sich jemand nähert. Die Anwender:innen sehen die Person, während gleichzeitig die Augen der Anwender:innen sichtbar sind. Dabei handelt es sich jedoch nicht um die tatsächlichen Augen, sondern vielmehr um eine realistische Projektion in der Linse.

Apple Vision Pro: EyeSight (Quelle: Apple)
Kameras und Eyetracking
Zwei Hauptkameras, vier nach unten gerichtete Kameras, zwei Infrarotkameras, zwei seitliche Kameras, zwei TrueDepth-Kameras und fünf Sensoren – sie alle sind in die Glaslinse integriert und erfassen kontinuierlich die Umgebung der Anwender:innen sowie deren Hand- bzw. Augenbewegungen, auch bei schwachem Licht.
Bei den beiden Hauptkameras handelt es sich um die ersten 3D-Kameras von Apple. Sie befinden sich an der unteren Vorderseite und erlauben Foto- sowie Videoaufnahmen mit größerer Tiefenschärfe. LiDAR-Scanner und True-Depth-Kameras wiederum erstellen u.a. 3D-Kartierungen in Echtzeit.
Hinzukommt das leistungsfähige Eyetrackingsystem: Es besteht aus Hochgeschwindigkeits-IR-Kameras und einem Ring aus LEDs, die unsichtbare Lichtmuster auf die Augen der Anwender:innen projizieren. Dadurch ist eine reaktionsschnelle, intuitive Eingabe möglich, die zusätzliche Hardware zur Steuerung der Apple Vision Pro obsolet macht.
Steuerung
Apropos Steuerung: Für die Apple Vision Pro werden keine Controller oder Ähnliches benötigt. Die dreidimensionale Benutzeroberfläche wird auf intuitive Weise mit Augen, Händen sowie der Stimme der Anwender:innen gesteuert. So muss beispielsweise die Hand nicht gehoben werden, um mit den Fingern bestimmte Dinge auszuwählen – sie kann einfach im Schoß oder an den Seiten der Anwender:innen liegen bleiben.
Ton: Spatial Audio und Audio Raytracing
Die Apple Vision Pro verfügt über ein äußerst fortschrittliches Spatial-Audio-System, das für ein intensiveres Klangerlebnis sorgt. Dazu werden vorab die Ohren der Anwender:innen gescannt (HRTF = Head-Related Transfer Function), um das räumliche Audio auf die individuelle Kopf- und Ohrenform zuzuschneiden (diese Möglichkeit gibt es bereits seit iOS 16). Zwei einzeln verstärkte Treiber pro Audio-Pod, die sich in unmittelbarer Nähe zu den Ohren der Anwender:innen befinden, erzeugen dieses personalisierte 3D-Audio und leiten es direkt weiter.
Ferner verfügt die Apple Vision Pro über Audio Raytracing: Diese Funktion nutzt Sensoren, die Materialien und Objekte im Raum erkennen, um dann den Eindruck zu vermitteln, der Klang käme direkt aus dem umgebenden Umfeld.
Apple Vision Pro Trailer: Audio
Betriebssystem: visionOS
Der erste räumliche Computer verwendet folglich auch das erste räumliche Betriebssystem: visionOS generiert eine dreidimensionale Benutzeroberfläche, die so wirkt, als sei sie physisch mit im Raum. Sie ähnelt optisch einer Mischung aus iPhone-, iPad- und Macbildschirm, ist jedoch zugleich etwas völlig Neues.

Apple Vision Pro: visionOS (Quelle: Apple)
Die Grenzen eines Displays fallen weg, sodass Apps in jeder beliebigen Größe nebeneinander im Raum rund um die Anwender:innen dargestellt werden können – Multitasking wird hier neu definiert. Auch eine Verbindung mit Magic Keyboard, Magic Trackpad oder einem Mac selbst ist möglich. In diesem Fall wird die Apple Vision Pro dann zu einem sehr großen, nicht öffentlich sichtbaren sowie tragbaren 4K-Display.

Apple Vision Pro: Betriebssystem (Quelle: Apple)
Die visionOS-Benutzeroberfläche reagiert dynamisch auf natürliches Licht und generiert Schatten, um den Anwender:innen Größen und Entfernungen besser zu vermitteln. Die Interaktion an sich findet, wie bereits erwähnt, via Augen, Hände und Stimme statt: So können die Anwender:innen Apps durchstöbern, indem sie diese ansehen, Apps auswählen, indem sie die Finger zusammentippen, per Handstreich scrollen und mit ihrer Stimme diktieren.
Prozessor und Arbeitsspeicher
Für ein reibungsloses Anwender:innenerlebnis verfügt die Apple Vision Pro über ein duales Chipdesign: Der M2-Chip liefert eigenständige Leistung, damit das Gerät unabhängig arbeiten kann, während der R1-Chip für ein verzögerungsfreies Inhaltserlebnis sorgt. Die durch die Prozessoren entstehende Hitze wird abgeleitet, indem die Apple Vision Pro Luft an der Unterseite des Headsets nach oben zieht und sie an der Oberseite wieder ausleitet.
Der neu vorgestellte R1-Chip verarbeitet die Daten von zwölf Kameras, fünf Sensoren sowie sechs Mikrofonen und stellt sicher, dass sich die Inhalte anfühlen, als ob sie in Echtzeit stattfänden. Neue Bilder werden innerhalb von zwölf Millisekunden auf die Displays übertragen, achtmal schneller als ein Augenzwinkern.
Leider gibt es zum Arbeitsspeicher sowie internen Speicher keine näheren Informationen. Notebookcheck vermutet, dass 12 GB RAM und 512 GB Flash-Speicher verbaut werden, Apple hat diesbezüglich jedoch noch nichts offiziell bestätigt.
Apple Vision Pro Trailer: Prozessor
Akku und Laufzeit
Ist die Apple Vision Pro an den Netzbetrieb (Anschluss via USB-C-Adapter) angeschlossen, kann sie den ganzen Tag genutzt werden. Zusätzlich bietet Apple einen externen Akku, der ähnlich einer Powerbank per Kabel mit dem Headset verbunden wird. Die Laufzeit beträgt etwa bis zu zwei Stunden.
Bei dem Anschluss scheint es sich um eine Art MagSafe-Kabel zu handeln, bisher hat Apple jedoch diesbezüglich noch nichts bestätigt.
Gewicht und Maße
Eine genaue Gewichtsangabe sowie die Maße der Apple Vision Pro wurden bisher nicht veröffentlicht. Nilay Patel, Chefredakteur von The Verge, konnte das Headset bereits testen und schätzt das Gewicht auf etwas weniger als ein Pfund.
Einige Tester gaben an, dass die Apple Vision Pro nicht so leicht ist wie gedacht und sich aufgrund der ungleichen Gewichtsverteilung, mit den Hauptkomponenten vorne am Gesicht, etwas aus der Balance ist. Bei den Demos wurde ein zusätzliches Kopfband verwendet, das über den Kopf reicht und für besseren Halt und Komfort sorgen sollte.
Privatsphäre und Sicherheit
Eyetracking, Spatial Audio – bei so vielen sensiblen Daten stellt sich die Frage, wie die Apple Vision Pro hinsichtlich Privatsphäre und Sicherheit ausgerichtet ist. Wie sich zeigt, sehr gut: Die während des Eyetrackings gesammelten Daten beispielsweise werden lokal erfasst und nicht mit Apple, Apps von Drittanbietern oder Webseiten geteilt.
Die von den Mikrofonen, Kameras und Sensoren aufgezeichneten Daten werden auf Systemebene verarbeitet; einzelne Apps müssen das Umfeld der Anwender:innen somit nicht selbst einsehen. EyeSight wiederum hat eine optische Anzeige mithilfe derer erkennbar wird, wenn Anwender:innen ein Foto oder Video aufnehmen.
Mit Optic ID schließlich wird ein neues Authentifizierungsverfahren eingeführt, dass die Iris der Anwender:innen mit verschiedenen unsichtbaren LED-Lichtaufnahmen analysiert, anschließend mit den von der Secure Enclave geschützten Daten der Optic ID vergleicht und dann die Apple Vision Pro entsperrt. Die Optic-ID-Nutzerdaten sind voll verschlüsselt und verbleiben geräteintern, sie werden somit nicht auf Apple Servern gespeichert. Für Apps sind die Daten nicht zugänglich.
Preis und Erscheinungsdatum
Der Preis der Apple Vision Pro beginnt bei 3.499 US-Dollar (laut einer ersten „Bill-of-Material“-Analyse werden die Produktionskosten auf etwa 1.500 US-Dollar geschätzt). Wieviel der Preis der Apple Vision Pro in Euro betragen wird, bleibt abzuwarten.
Wann es die Apple Vision Pro zu kaufen gibt, steht ebenfalls noch nicht genau fest. Das Headset soll ab Frühjahr 2024 in den USA erhältlich sein, weitere Länder kommen später im Verlauf des Jahres hinzu. Apple verkauft die Apple Vision Pro ausschließlich direkt über apple.com und in Apple Stores.
Ein stattlicher Preis, der es schwierig gestalten wird, die Apple Vision Pro einer breiten Masse an Menschen zugänglich zu machen. Doch wie Mark Gurman in seinem Power-On-Newsletter schreibt, arbeitet Apple scheinbar bereits an einem kostengünstigeren Modell, das vermutlich Apple Vision oder Apple Vision One heißen wird. Da es sich bei den Kameras und Sensoren, dem Dual-Chip-Design sowie den beiden OLED-Displays um die teuersten Komponenten des Headsets handelt, könnten z.B. bei diesen Elementen Abstriche gemacht werden, um den Preis zu senken.
Apple Vision Pro – Specs auf einen Blick
Allgemeines |
Ein Stück 3D-geformtes Glas als Linse, Rahmen aus Aluminiumlegierung, Lichtsiegel, 3D-gestricktes Kopfband Knopf zur Foto-/Videoaufnahme Digital Crown zur Immersionssteuerung |
Display |
2x Micro-OLED-Display mit jeweils 23 Mio. Pixel, Pixelbreite 7,5 Mikrometer EyeSight-Technologie Einsetzbare ZEISS-Linsen für Brillenträger |
Kamera |
12 Kameras, 5 Sensoren Eyetracking |
Audio |
Spatial Audio (HRTF) Audio Raytracing 6 Mikrofone |
Steuerung | Augen, Hände, Stimme |
Betriebssystem | visionOS |
Prozessor |
Dual-Chip-Design: M2-Chip für eigenständige Leistung R1-Chip für verzögerungsfreie Inhaltswiedergabe in Echtzeit |
Akku / Laufzeit | 2 Stunden mit externem Akku |
Erscheinungsdatum | Frühjahr 2024 in den USA, später im selben Jahr in anderen Ländern |
Preis | 3.499 US-Dollar, Preis in Euro noch nicht verkündet |
Apple Vision Pro Test – Wie fallen die ersten Reaktionen aus?
Einige Tester hatten bereits die Gelegenheit, die Apple Vision Pro auszuprobieren. Im Großen und Ganzen zeigen sich alle Teilnehmer der Apple-Vision-Pro-Demo begeistert. „Ich glaube, dass ist das erste Gerät, wo das Wort „magisch“ tatsächlich am ehesten passt“, resümiert Webvideoproduzent Alexander Böhm auf seinem YouTube-Channel AlexiBexi. Grund dafür sei u.a., dass man als Anwender:in überhaupt nicht merke, dass man mit einem technischen Gerät interagiert.
Auch Nilay Patel von The Verge äußerst sich überwiegend positiv zur Apple Vision Pro, merkt jedoch an, dass man sich beim Tragen des Headsets merkwürdig einsam fühlt. Er stellt sich die Frage, wie man auf diese Art beispielsweise gemeinsam einen Film ansehen oder gleichzeitig mit Leuten zusammenarbeiten kann, die sich im Raum befinden und über FaceTime verbunden sind.
Interessante Denkanstöße, auf die sicher noch mehr folgen werden, sobald die Apple Vision Pro offiziell auf dem Markt erhältlich ist. Vielversprechend ist der erste räumliche Computer von Apple auf alle Fälle – insbesondere in Hinblick auf die Möglichkeiten, die sich für Remote Service und den Einsatz in der Industrie ergeben.